Ende Oktober wurden die Ergebnisse einer Studie zum Thema Vorlesen bekannt, die von der STIFTUNG LESEN, der ZEIT UND der DEUTSCHEN BAHN STIFTUNG alljährlich durchgeführt wird. Demnach kommen rund ein Drittel aller Kinder nie in den Genuss, dass ihnen die Eltern vorlesen. Die Studie wies darauf hin, dass diesen Kindern damit ein wichtiger und zentraler Impuls für ihre positive Entwicklung fehlt.
Die Studie verweist auf das Drittel, bei dem Defizite bestehen, doch mich freut es, dass zwei Drittel der Eltern ganz offensichtlich ihren Kindern vorlesen. Denn mit dem abendlichen Ritual des Vorlesens haben Eltern einen wertvollen Schatz, mit dem sie täglich wuchern können. Hier sind nicht nur die Mütter, sondern gerade auch die Väter gefragt. Das abendliche Ritual, das meist auch aus besonderen Kuschelmomenten besteht, bei dem sich das Kind vertrauensvoll an die Bezugsperson anschmiegt und wie gebannt an jedem Wort hängt, ist eine Zeit, die man nicht ohne Grund verschenken sollte.
Warum soll ich meinen Kindern vorlesen?
Dieses Ritual ist mehr als nur Vorlesen und auch mehr als Kuscheln – es begründet das Fundament einer lebenslangen besonderen Bindung zwischen Eltern und Kindern.
Finden Sie das zu weit her geholt? Ich glaube nicht. Denn als Erziehungsperson haben Sie es ja in der Hand in dieser Zeit Vertrauen zu Ihrem Kind aufzubauen. Sie werden oftmals nicht nur vorlesen, sondern das Gelesene im Gespräch mit den Kindern verarbeiten, oder mit ihnen über andere, ähnliche Situation aus dem eigenen Erleben reden. Das sind Gespräche, die niemals entstanden wären, hätte es das abendliche Vorlesen nicht gegeben. Sie haben mit diesem Ritual ein Erziehungsinstrument in der Hand, das mächtiger ist, als alles andere. Einfach schon deshalb, weil es ein regelmäßiges Ritual ist, das von den Kindern mit positiven Gefühlen verbunden wird. Sie können es deshalb auch mal als Streichmaßnahme einsetzen, wenn Kinder ihre Grenzen überschritten haben. Das sollten Sie natürlich nicht regelmäßig tun, aber bei besonderen Verstößen hilft dieses Weglassen mehr, als Fernsehverbot, oder eine andere nicht so emotional besetzte Maßnahme.
Beim Vorlesen sind Sie mit Ihrem Kind auf Augenhöhe
Sie ahnen schon, dass Vorlesen mehr ist als einfach nur das Runterrasseln von irgendwelchen Wörtern. Sie lassen sich im Vorlesen ein auf die kindliche Welt, nehmen Ihr Kind ernst und tauchen mit ihm gemeinsam ein in das Märchen, das Sie gerade vorlesen. Sie erleben mit ihm wie der Prinz die Prinzessin beschützt, oder wie der Held den Drachen besiegt.
Natürlich ist das gemeinsame Vorlesen auch gut für die Sprachentwicklung des Kindes. Sehr beeindruckend ist auch, dass Kinder, denen viel vorgelesen wird, oftmals damit beginnen, „selbst zu lesen“ und fast wörtlich die Geschichte „vorzulesen“, obwohl sie keinen einzigen Buchstaben kennen. Es schult also das Gehör, das Zuhören, das Gedächtnis und den Wortschatz.
Ab wann ist mein Kind alt genug fürs Vorlesen?
Vielleicht fragen Sie sich jetzt: Wann soll ich denn anfangen, meinem Kind vorzulesen? Wann ist es alt genug dafür? Meine Antwort: Lesen Sie von Anfang an vor, also schon Ihrem Baby. Denn selbst Säuglinge interessieren sich schon für Bilder. Diese kann man ihnen zeigen und erzählen was man sieht. Beispiel: Schau mal, da ist ein Ball. Was macht der Ball? Der Ball rollt.
Man muss keine Geschichte dazu erfinden. Damit würde man das Baby überfordern. Aber einfache, kleine Sätze kann man durchaus dazu „vorlesen“. Für Babys gibt es solche „Bilderbücher“ auch aus Plastik, auf denen es zur Not auch herumkauen kann. Natürlich interessiert sich nicht jedes Baby schon für Bilder. Wenn Ihr Säugling mehr auf Singen reagiert, dann singen Sie mit Ihm.
Vorschulkinder lieben es meist, wenn ihnen vorgelesen wird. Demnächst beginnt die Weihnachtszeit. Das ist eine ganz besondere Zeit des Vorlesens. Viele Eltern lesen dann nicht nur abends vor, sondern auch nachmittags. Vor allem nach dem Spielen in der Kälte, oder nach dem Besuch eines Weihnachtsmarktes ist es besonders kuschelig, warm eingepackt auf der Couch zu liegen, Tee zu trinken und eine Geschichte vorgelesen zu bekommen. Was gibt es Schöneres? Geschichten gibt’s auch als E-Book. Beispielsweise hier.