Vor kurzem hielt mir eine Erzieherin den überarbeiteten Slogan für ihren Kindergarten unter die Nase: „Klein rein – groß rauskommen“. Sie war ganz stolz darauf und erwartete nun von mir, dass ich mit ihr jubelte. Aber mir blieb der Jubelschrei im Hals stecken.
Kinder sind keine Maschinen
„Klein rein – groß rauskommen“, das klingt für mich wie „Pulver rein, fertigen Kaffee herausnehmen.“ Der Slogan erinnerte mich eher an eine Maschine, als an einen Kindergarten, oder eine Kindertagesstätte. Es handelt sich um einen Landkindergarten und wahrscheinlich dachte der Träger, man müsse mithalten können mit den Stadtkindergärten, wo es immer mehr ums fördern und fordern geht, darum, dass schon die Kleinsten mit mehreren Sprachen aufwachsen und naturwissenschaftliches Denken zum Alltag gehört. Eltern wünschen sich, dass schon die Allerkleinsten gefördert werden. Am liebsten würden sie zu Kindergartenbeginn, wenn der Nachwuchs im Krippenalter ist, die Türe der Kindertagesstätte öffnen und nach ein paar Jahren zu Schulbeginn, ein fertiges, schulreifes und wissbegieriges Kind, das eine Fremdsprache beherrscht und schon rechnen und schreiben kann, wieder herausholen. Das Bild ist zu krass? Ich fürchte nicht. Denn viele Eltern wünschen sich, dass ihr Nachwuchs ein perfektes Produkt Kind ist.
Kindergarten klingt sehr idyllisch
Dabei wäre es gut, sich darauf zu besinnen, dass allein schon im Wort Kindergarten eine gewisse Idylle steckt. Das Wort Garten zeigt, dass etwas wächst – und alles was wächst benötigt Zeit. Natürlich braucht es Pflege, aber es nützt gar nichts, den Karotten, oder Radieschen das Einmaleins beizubringen. Eine solche Förderung brauchen sie nicht. Gut, Kinder sind kein Gemüse, aber genau wie Pflanzen brauchen auch sie viel Zeit und Geduld, um ihre wirklichen Gaben zur Entfaltung zu bringen. Ich habe den Eindruck, dass man Kindern heute keine Zeit mehr gibt, dass alles nur noch schnell gehen muss. Doch die Kindergartenzeit sollte Raum geben, eigene Erfahrungen zu machen.
Kinder lernen durch ausprobieren
Kinder lernen so viel, wenn sie selber ausprobieren dürfen. Male ich lieber mit Buntstiften, oder macht es mehr Spaß, mit Wasserfarben zu klecksen? Ist das Matschen im Sandkasten mein Ding, oder mag ich das gar nicht? Spiele ich gerne mit Legos, oder tobe ich lieber mit Freunden? Wie fühlt es sich an, wenn ich mich streite? Bin ich bereit, mein Legoauto dem Freund zu überlassen, oder renne ich gleich zur Erzieherin wenn mir was nicht passt? Schlage ich gleich zu, oder löse ich meine Konflikte anders? Auch ein Kind, das einfach dasitzt und Löcher in die Luft starrt, lernt etwas dabei. Kindergartenarbeit heißt nicht, die Kinder permanent zu beschäftigen. Im Gegenteil. Kinder sollen lernen, selbst zu spielen, ihre Freundschaften ohne Mama knüpfen und natürlich auch ihre eigene Kreativität entdecken. Das alles braucht Zeit. Wenn Kinder andauernd beschäftigt werden, fehlt ihnen diese wichtige Zeit. Deshalb ist weniger manchmal mehr. „Klein rein – groß rauskommen“ – Der Slogan ist sicher gut gemeint und so hoffe ich, dass die Kinder, wenn sie „groß rauskommen“, Zeit hatten, sich auszuprobieren, sich zu entfalten und mit viel Gelassenheit und Heiterkeit ihre Schulzeit beginnen können.